Süddeutsche Zeitung, 16.April 2009
Lincoln Avenue
Begegnung mit William L. Petersen, der als ¸¸CSI"-Forensiker die Kriminalserie veränderte und jetzt aussteigt
Es gibt eine rasant um sich greifende Unart bei deutschen Schauspielern, vor Gesprächen Bedingungen zu stellen. Dabei geht es längst nicht mehr nur darum, dass ihre Agenten oder Anwälte verlangen, das gedruckte Wort vor der Veröffentlichung einsehen zu können. Es geht um den Zugriff auf Überschrift, Unterzeile, Textlänge und Fotoauswahl, also um journalistische Kriterien, die sinnvoller Weise gerade nicht in die Hände derer fallen sollten, die eine Zeitung oder eine Zeitschrift ausschließlich als Werbefläche betrachten.
Bei Schauspielern wie William L. Petersen ist es auch deshalb anders, weil bei Amerikanern das geschriebene Wort dem Grundsatz folgt: Live on Tape. Es gilt das gesprochene Wort.
Neulich war Petersen in Cannes auf der Internationalen Fernsehmesse Mip TV. Er saß in einer abgedunkelten Bar des besten Hotels an der Croisette, pickte Salat, und er war: in Redelaune.
Um das Ende vorwegzunehmen: Petersen, der als Chef-Forensiker von CSI Las Vegas zuletzt 600 000 Dollar pro Folge verdient haben soll und der mit seiner Figur in genau dieser Serie seit Oktober 2000 das Krimi-Genre im Fernsehen veränderte, interessierte sich plötzlich brennend für seine deutsche Synchronstimme. Nur beiläufig nahm er zur Kenntnis, dass der Sprecher, Hubertus Bengsch, auch Richard Geres deutsche Stimme ist. Petersen berichtete von einer Europareise mit seiner Frau, die beide nach Italien und Deutschland führte.
Wie es bei einem globalisierten Produkt wie CSI vorkommen kann, sah er sich erst im italienischen Fernsehen und anschließend im deutschen. Er habe sich immer um seine deutsche Stimme gesorgt, sagt er. Und als er sie hörte? "Wow, der Typ hat was, der hat wirklich was."
Vor allem Petersen hat was. Er wurde von den Regisseuren William Friedkin (Leben und Sterben in L.A.) und Michael Mann (Manhunter) Mitte der achtziger Jahre für den Film entdeckt. Er hat mit Kollegen wie Gary Oldman, Kiefer Sutherland, Viggo Mortensen, Mark Wahlberg oder Reese Witherspoon gedreht. Doch zu Weltruhm kam er erst 48-jährig mit CSI im, so schätzt er es ein, "kräftigsten Medium": dem TV. Seine Familie stammt aus Dänemark, der Großvater kam um 1900 nach Amerika, ließ sich in Chicago als Schreiner nieder. Inzwischen führt Petersens Bruder das Geschäft mit skandinavischen Design-Möbeln in der dritten Generation.
Auch William L. Petersen wohnt in Chicago, im Juli und August wird er dort am Victory Gardens Theater an der Lincoln Avenue in einem schottischen Stück auftreten. Um wieder am Theater arbeiten zu können, sagt er, sei er aus der Serie ausgestiegen, die in den USA bei CBS läuft und die von Jerry Bruckheimer verantwortlich produziert wird.
RTL strahlt jetzt die neunte, die Ausstiegsstaffel aus. Zunächst werden fünf Episoden gezeigt, Ende September folgt der Rest, dann auch Teil zehn, in dem Petersen als Gil Grissom an den von Laurence Fishburne dargestellten Raymond Langston übergibt. Praktischerweise kehrt Grissom zu seinen Ursprüngen zurück wie Petersen, Rolle und Mensch fallen zusammen: Grissom will wieder in den Dschungel, will Bäume, Vögel, Käfer studieren. Petersen will auf die Bühne zurück. Eine episodische Wiederkehr Grissoms liegt dabei auf der Hand, er musste ja nicht sterben. Petersen betont den Verlust seiner Freunde am Set, neun Jahre ohne Streit, "das ist sehr ungewöhnlich".
CSI (Las Vegas), das noch Ableger in New York und Miami hat, wollte vor allem "den Blick der Menschen auf die Wissenschaft verändern", sagt Petersen. Das ist, die Quoten zugrunde gelegt, gelungen. Und ohne Mikroskop fängt heute niemand mehr im Fernsehen einen Mörder.
CHRISTOPHER KEIL
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